Wasserdichte Smartphones in Realität: Ist der IP-Schutz wirklich sicher?

Wasserfest, wasserdicht, staubsicher und spritzwassergeschützt: Mit solchen und ähnlichen Eigenschaften werben in letzter Zeit viele Hersteller von Smartphones für ihre Produkte. Doch was verbirgt sich in Wirklichkeit hinter den Bezeichnungen? Könnt ihr mit einem wasserdichten Handy auch wirklich Fotos im Schwimmbad machen oder beim Schwimmen am Strand Musik hören? Viele gehen erst einmal davon aus, dass dies problemlos möglich sein sollte. Doch wie so oft, verbirgt sich der Teufel im Detail.

Der International Protection Level – Was verbirgt sich hinter IPxy?

Heutzutage gibt es wie selbstverständlich für nahezu alle Eigenschaften eines technischen Geräts Standards. Wenn es um Flüssigkeiten und Festkörper geht, ist der gebräuchlichste der International Protection Code – kurz IP. Er wird mit zwei Ziffern angegeben, die jeweils für Festkörper und für Flüssigkeiten gelten. Die erste gibt die Schutzart gegen Berührung und das Eindringen von festen Stoffen, die zweite diejenige für Flüssigkeiten an.

1. Ziffer: Schutz gegen das Eindringen von Fremdkörpern

IP-Ziffer Bedeutung
0 kein Berührungsschutz, kein Fremdkörperschutz
1 Schutz gegen Fremdkörper mit Durchmesser >50mm
2 Schutz gegen Fremdkörper mit Durchmesser >12mm
3 Schutz gegen Fremdkörper mit Durchmesser >2,5mm
4 Schutz gegen Fremdkörper mit Durchmesser >1mm
5 Vollständiger Berührungsschutz, Schutz gegen Staubablagerungen im Innern
6 Vollständiger Berührungsschutz, Schutz gegen Eindringen von Staub

2. Ziffer: Schutz gegen Wasser

IP-Ziffer Bedeutung
0 kein Wasserschutz
1 Geschützt gegen senkrecht fallende Wassertropfen
2 Geschützt gegen schräg fallende Wassertropfen (15° gegenüber der Senkrechten)
3 Geschützt gegen Sprühwasser (bis 60° gegenüber der Senkrechten)
4 Geschützt gegen Sprühwasser
5 Geschützt gegen Strahlwasser (aus allen Richtungen)
6 Geschützt vor eindringendem Wasser bei vorübergehender Überflutung
7 Geschützt vor eindringendem Wasser beim Eintauchen
8 Geschützt vor eindringendem Wasser beim Eintauchen für unbestimmte Zeit
9 Geschützt vor eindringendem Wasser aus jeder Richtung.
Auch bei stark erhöhtem Druck gegen das Gehäuse (Hochdruck-/Dampfstrahlreiniger, 80-100 bar)

Konkrete Beispiele

Wie ihr erkennen könnt, bedeutet eine 0 keinerlei Schutz – die gesamte Elektronik liegt offen. Mit jeder Steigerung erhöht sich der Schutzlevel, wobei die maximal mögliche Abschirmung IP68 ist, mit der sich aktuell beispielsweise das Samsung Galaxy S7 rühmt. Bei Smartphones übliche Bezeichnungen sind jedoch lediglich IP54, IP65, IP67 und IP68. Darum betrachten wir diese einmal genauer:

  • IP54 bedeutet einen vollständigen Schutz gegen Berührungen, gegen Staub in einer „schädlichen Menge“ und gegen Spritzwasser aus allen Richtungen.
  • Bei IP65 darf keinerlei Staub und kein Wasser eindringen, das aus einer Düse – also beispielsweise einem Gartenschlauch – auf das Gehäuse trifft.
  • Bei IP67 kann das Gerät sogar kurzzeitig und…
  • bei IP68 sogar dauerhaft unter Wasser getaucht werden, ohne dass es dadurch beschädigt wird.

Ist der IP-Schutz auch wirklich sicher?

Soweit klingt das alles sehr einleuchtend. Leider handelt es sich wie bei den meisten Standards jedoch um rein technische Prüfverfahren. Und die sind mit den realen Bedingungen leider nicht immer vergleichbar. Zunächst einmal gilt, dass ein Gerät während des Tests und unmittelbar danach keine Beschädigung aufweisen darf. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass Langzeitschäden wirklich ausgeschlossen werden. So wird beispielsweise eine mögliche Korrosion des Gehäuses von dem IP-Schutzlevel überhaupt nicht beachtet.

Oder mit einem praktischen Beispiel: Wenn ihr einen geschlossenen Behälter aus Eisen nehmen würdet, wäre dieser gemäß dem Prüfverfahren nach IP68 geschützt. Innerhalb weniger Monate würde er ohne Lackierung allerdings wegrosten – Schutzlevel hin oder her.

Ein weiteres Problem ist, dass es sich hier um einen Test mit reinem Wasser handelt. Andere Flüssigkeiten wie Salz- oder Chlorwasser sind aber weitaus aggressiver und werden deshalb ebenso wenig erfasst wie Alkohol oder Seifenlauge. Und selbst bei reinem Wasser ist das Testverfahren keinesfalls so sicher, wie es vorgibt. Ein dauerhaftes Untertauchen wird beispielsweise mit maximal 30 Minuten definiert. Viel schlimmer ist jedoch, dass keine Tiefe vorgegeben ist. In einem Meter mag noch ein durchaus verträglicher Druck herrschen. In zwei Metern hat er sich jedoch bereits verdoppelt.

Militärische Geräte für den privaten Gebrauch

Eine weitere Norm, die besonders häufig für industrielle Computer, Smartphones und Tablet PC angewendet wird, ist MIL-STD-810. Dabei handelt es sich um Testverfahren, die von dem US-Militär angewandt und für ihre Ausrüstung vorgegeben werden. In der Regel sind dies Prüfungen auf unterschiedliche Umweltbedingungen wie extreme Höhe, Salzwasser, permanente Vibrationen, Fall aus unterschiedlicher Höhe auf eine Betonoberfläche, hohe und niedrige Temperaturen oder spontane Schwankungen zwischen diesen. Doch auch bei diesen ist Vorsicht geboten. Denn ein Bestehen der Norm ist nur dann wirklich gesichert, wenn diese auch von unabhängigen Instituten überprüft wurde. Und diese Prüfung ist in der Norm selbst leider nicht vorgeschrieben, sondern kann zwischen Hersteller, Lieferanten und Käufern ausgehandelt werden. Das bedeutet praktisch, dass ein Hersteller mit der Norm auch dann noch werben darf, wenn seine Geräte in einzelnen Tests durchgefallen sind.

Keine Haftung bei realen Schäden

In der Praxis lehnen viele Hersteller ab, für Schäden zu haften. Sie verweisen beispielsweise darauf, dass die Geräte Chlor- oder Salzwasser ausgesetzt worden seien und solche Flüssigkeiten durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden. Samsung hat sich dabei rechtlich weitgehend abgesichert und schließt in seiner Garantie Wasserschäden vollständig aus. Da eine Garantie eine freiwillige Leistung ist, darf das Unternehmen mit Wasserdichtigkeit werben, ohne für eine Beschädigung durch Wasser auch wirklich einstehen zu müssen. Und wenn ihr euer Smartphone mit unter die Dusche nehmen wollt, geschieht dies ebenfalls auf eigene Gefahr: Denn die IP-Zertifizierung von Samsung schließt ausdrücklich auch erhitzte Flüssigkeiten aus.

Das Risiko trägt der Nutzer

Im Netz kursieren mittlerweile Videos, in denen Telefone sogar gekocht werden und angeblich hinterher noch problemlos funktionieren. Das kann unter Umständen durchaus gut gehen – bei Folgeschäden solcher Experimente kann aber nur auf eine Kulanz des Herstellers gehofft werden. Empfehlenswert ist ein solcher „Stresstest“ mit Sicherheit nicht, falls ihr euer Telefon hinterher noch länger benutzen wollt. Und um eine Eingangsfrage aufzulösen – unter Wasser Fotos machen, wird ohnehin schwer. Der Wasserdruck auf dem Touchscreen führt schon bei geringer Tiefe dazu, dass dieser alle möglichen Berührungen wahrnimmt und deshalb wie wild hin- und herspringt. Eine gezielte Bedienung ist deshalb gar nicht mehr möglich.

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